Da ist die Wahl aber mal wieder auf einen Klassiker gefallen, bei dem jeder Kenner mit der Zunge schnalzt, zumindest, wenn er versucht ihn auszusprechen.
Im Mai diesen Jahres sollte eine große Reisewelle deutscher Fußballstadiensammler gen Weißrussland rollen, der wir uns natürlich auch nicht entziehen konnten. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Normalerweise rollt der Rubel, wenn man Lukashenkos Disneyland namens Belarus besuchen möchte: 90 Euro kann man für das Visum schon mal einplanen. Zur gerade stattfindenden Eishockey-WM zeigte sich der „letzte Diktator Europas“ (Zitat Westerwelle) aber erneut für eine Überraschung gut („lieber Diktator als schwul“ (Zitat Lukashenko)) und hob die Visapflicht fiir Inhaber eines WM-Tickets kurzerhand auf. Wie praktisch, dass der günstigste Stehplatz beim Duell Frankreich gegen Dänemark für umgerechnet 6,36 Euro zu haben war. Wenn man schon so bekloppt ist, in allen möglichen Möchtegemrepubliken ein Fußballspiel gesehen haben zu wollen, kam man bitteschön um diesen Besuch nicht herum.
Dumm nur, dass die Lilien gerade mal wieder um den Klassenerhalt bangten und Woche für Woche neue Spiele anstanden, hast du eins gesehen, dann kannst Du es verstehen: Weniger für die SG Wattenscheid 09, denn für unseren eigenen Verein standen historische Zeiten vor der Tür, Partie verpassen ausgeschlossen. Ursprünglich hatten wir das Relegationswochenende fiir den Trip in den Osten vorgesehen, das schien uns glücklicherweise mittlerweile etwas unangebracht, die anderen Wochenenden aber auch, also kam es gerade recht, dass die beiden genannten Mannschaften im Pokalfinale standen, das Samstags stattfand, weshalb das zufälligerweise genau zwischen diesen beiden Teams eigentlich an diesem Samstag stattfindende Ligaspiel um ein paar Tage auf den kommenden Mittwoch verschoben wurde.
Der kommende Dienstag sollte daher unser Reisestart sein, nach getaner Arbeit holte mich Tobi wie bestellt ab, damit wir uns zum Flughafen im schönen Hunsrück begeben konnten. Zum Schnapperpreis flog uns die Hassliebe eines jeden Billigreisenden zuverlässig nach Kaunas in Litauen, wo ein kleiner Mietwagen, sowie eine Übernachtung in einer Herberge irgendwo am Wegesrand bereits auf uns warteten. Ein Abendessen gab es nur noch in Form von Keksen an der Tankstelle, spät war es geworden.
Immer wieder schön, in solchen Gegenden im Dunkeln anzukommen und erst beim Aufstehen am nächsten Morgen zu erkennen, wo wir uns da gerade aufhielten. Doch warum um die Vergangenheit sorgen, wenn die spannenden Zeiten jetzt erst vor uns liegen sollten? Die Aufhebung der Visapflicht war nun gerade mal ein paar Tage alt, und fiir den kürzesten Weg nach Grodno hatten wir einen eher kleinen Grenzübergang auserkoren, der so gar nicht auf dem Weg zu den beiden WM-Hallen in Minsk lag. Ob die überhaupt wissen würden, was wir von ihnen wollen? Bis zum Kurort Druskininkai an der litauisch-weißrussischen Grenze chauffierten wir unseren Kleinwagen gekonnt durch die Prärie, um ihn unweit des Busbahnhofs direkt vor einer kleinen Bankfiliale mit Überwachungskamera abzustellen. Das allerdings weniger, weil wir uns in die Rainer Wendts der Fanszene verwandelt hätten, sonst war halt auch nix frei...
Am Fahrkartenschalter genügte gebrochenes Russisch zum Erwerb zweier Fahrtberechtigungen mit dem Bus über die Grenze. Für das Auto wären weitere Versicherungen, Papiere und Anmeldungen nötig gewesen, die wir uns so einfach ersparen wollten. Nur mit dem öffentlichen Verkehr wären wir aber weder rechtzeitig zum Spiel noch zurück zum Flughafen gelangt. Ihr seht schon, etwas Vorbereitung war diesmal wirklich von Nöten. Die Abfahrtszeit in dem recht langweiligen Kurort mit einer Tasse bitteren Tee überbrückt (Lukas hätte bestimmt gewusst, wie der besser geschmeckt hätte...), begehrten wir bald Einlass in den Reisebus, der uns in den diktatorischen Sozialismus bringen sollte.
Mit Einreisezetteln hatten wir gerechnet, nur nicht so sehr, als dass wir einen Kuli eingepackt hätten. Mit Händen und Füßen konnten wir den Mitpassagieren schließlich ein Schreibgerät abquatschen, die fortan erstaunt die Gäste aus fernen Landen auf dieser Strecke weitab jedes Durchgangsverkehrs bestaunten.
Kommt man wirklich mit einem beliebig oft kopierbaren Online-Ticket für ein nicht weiter beachtetes Sporttumier in einen totalitären Staat? Ein wenig Spanisch kam uns das ja schon noch vor, wenngleich wir gefühlt wohl selten weiter von der nächsten Stierkampfarena entfernt waren. Dem litauischen Grenzer war das erst mal völlig egal, aus der EU rauszukommen, ist schließlich eine der leichteren Übungen. Kurz nach dieser Kontrolle stoppte der Reisebus und alle Insassen stürmten wie von der Tarantel gestochen in ein Gebäude knapp hinter der passierten Kontrolle - inklusive des Fahrers. Fragezeichen über dem Kopf. Alle haben Taschen dabei. Vielleicht eine Art Gepäckkontrolle? Also gut, nehmen wir mal unsere Rucksäcke und trotten hinterher, es wird schon einen Grund geben.
Hinter der Eingangstür erwarteten uns nun nicht etwa Beamte und Röntgengeräte, nein auch keine Spürhunde: Alkohol und Zigaretten stapelten sich bis zur Decke - und das zu Preisen aus dem Phantasialand. Litauen ist ja für unsereins echt günstig, Weißrussland sollte sich als spottbillig heraussteilen, dass sich die Preise aber förmlich pulverisieren, wenn man steuerfrei zwischen diesen beiden Staaten im Niemandsland einkauft, ist schon beeindruckend. Eine Stange Zigaretten für vier Euro... Fast unvernünftig, dass wir beide nicht sofort das Rauchen anfmgen.
Nach fleißigem Shopping kehrten alle selig zurück zum Bus, um die geschossenen Trophäen präzise in Ecken, Taschen und Winkeln verschwinden zu lassen. Der Fahrer gab sich die größte Mühe, seinen neuen Wodkavorrat in einem geheimen Fach über dem Lenkrad zu verstecken. So ganz legal schien das also alles nicht zu sein, jedenfalls in dieser Menge. Wir grinsten uns einfach einen, und nahmen Anlauf auf das neue Land. Kontrollpunkt eins, lustiger Weißrusse mit roter Schnapsnase und Satellitenhut aufm Schädel betritt den Bus, guckt so grimmig wie er es in der Ausbildung gelernt hat, zählt die Passagiere und leuchtet mit der Taschenlampe unter die Sitze, um Schwarzfahrer zu ertappen. Weiter geht’s. Kontrolle zwei: Frau mit Satellitenmütze und Mann mit Satellitenmütze besteigen das Gefährt, setzen den nötigen grimmigen Blick auf, durchleuchten alle Reihen mit der Taschenlampe und sammeln die Ausweise und Pässe ein. Bei den Wessis mit den seltsamen DinA4- Blättem im Pass wird getuschelt, beide verschwinden mit den Dokumenten im Häuschen nebenan.
Circa zehn Passagiere sind insgesamt an Board, es dauert nun circa 30 Minuten, in denen gar nichts passiert. Derweil hält neben uns ein Kleinwagen an, in dem ein Mid- Ager offenbar schon ein paar Tage wohnt, jedenfalls machen sein Umbro-Shirt und das Gepäck auf seiner Rückbank durchaus diesen Eindruck. Der geschulte Blick sagt so einiges, mein Bauchgefuhl sollte mich nicht täuschen: „Tobi, nen Zehner, dass der dem Grenzer gleich ein Eishockey-Ticket zeigt, und noch einen, dass wir den Typen heute Abend beim Fußball sehen“.
Riesenbohei unter unserem Bus: Fünf Personen kümmern sich um den Neuankömmling aus dem Westen, alles wirkt sehr locker, bunte DINA4-Blätter werden umhergezeigt. Kurz vor uns darf der Fremde passieren, Wiesbadener Kennzeichen. Schnell verdientes Geld...
Mit entsprechend freudigen Nachrichten kommt am Ende auch Olga (ihr wisst ja, der Einfachheit halber) zurück zu uns. Ein weißrussischer Stempel prangt im Reisepass, auf Englisch wünscht man uns viel Spaß beim Hockey. Das war ja einfach... Nun gut, hatten wir schon erwähnt, dass wir noch vor dem eigentlichen Beginn des Turniers wieder ausreisen wollen? Die Spannung bleibt uns also erhalten.
Ebenso gespannt beäugten wir die ersten Kilometer des in unseren Gefilden doch eher unbeachteten Landstrichs.
Ziemlich grün, ziemlich dörflich, ziemlich ruhig. Erst bei der Einfahrt in die Provinzhauptstadt Grodno, die früher unter anderem mal polnisch war, gibt es etwas mehr Treiben auf den breiten Straßen, dennoch fällt auf, dass alles sehr geordnet abläuft. Am Busbahnhof warten schließlich die ersten neuen Missionen auf uns: Geld abheben,
Rückfahrkarte ziehen, den Weg zum Büro finden, in dem der Schlüssel für unsere Mietwohnung liegt. Der Punkt Geldabheben bereitet dabei am meisten Freude: 14.000 weißrussische Rubel sind ein Euro. Endlich Millionär! Die Scheine fliegen aus dem Automaten, der Geldbeutel ist zu eng, du fühlst dich wie Didi Mateschitz aufm Weg zum Frühstücksbäcker, im Grunde biste aber genau so n armer Schlucker wie zuvor. Immerhin nicht so arm, als dass Du Dir kein Retumticket mehr leisten könntest. Das Mütterchen hinter dem Schalter kann natürlich nur Russisch, dementsprechend viel Engagement ist nötig, um ihr zu erklären, dass wir morgen mit dem ersten Bus wieder nach Litauen möchten. Ein Stift, ein Zettel und ein paar Brocken Kyrillisch wirken wie so oft mal wieder Wunder, wenig später halten wir die Fahrscheine in der Hand, ohne dass unsere Geldbörsen merklich dünner geworden wären.
Nächster Halt: Wohnungsbüro. Grodno verfügt trotz 330.000 Einwohner gerade mal über fünf Hotels, die automatisch jeden Ausländer für vermögend halten. Dass Einheimische andere Preise zahlen ist nicht mal ein Geheimnis. Daher war es günstiger sich wenn auch nur für eine Nacht gleich eine Wohnung zu mieten. Unser Erscheinen im Büro der Vermittlungsfirma wird dennoch wie ein kleines Wunder gefeiert. Man habe mir gestern eine SMS geschickt, dass die Buchung storniert werde, würde ich sie nicht bis 14 Uhr Ortszeit rückbestätigen. Ein Blick zur Uhr: 13:45 Uhr. Gude! Passt doch... Passend zur Situation rappelt plötzlich mein Handy und die besagte SMS trifft mit der üblichen Verspätung der serbischen Staatsbahn ein. War wohl eher über’s W-Lan, denn das internationale Netz verschickt worden, was? Die netten Damen hinter dem Tresen findens jedenfalls lustig und sind beruhigt, dass alles funktioniert, auch wenn sie gefühlte lOOx daraufhinweisen, dass wir erst ab 15 Uhr in die Wohnung sollen, da gerade noch geputzt wird. Bei einem prognostizierten Fußweg von mindestens 30 Minuten bis dorthin ein Hinweis, den man sich um 14:10 Uhr ja fast auch schon mal sparen könnte.
Wir schlendern also gemütlich gen Norden der Stadt auf der Suche nach einem Geldautomaten für die nächsten paar Hunderttausend Ocken (man kanns ja kaum auf einmal tragen) und etwas Essbarem. Ersteres funktioniert recht flott, in Sachen warmer Verpflegung scheint man sich in Grodno quantitativ an die Hotellandschaft angepasst zu haben. Wir werden aber in einer Art Kantine mit Selbstbedienung fündig. Was genau da auf den Tisch kam, weiß der Geier. Eine Art panierte Roulade, Kartoffelbei und Kraut - aber durchaus genießbar für ein paar tausend, sprich so circa 2,50 Euro. Ihr merkt schon, der Umgang mit Geld verunsicherte uns hierzulande noch etwas. Wer das noch nicht bemerkt hat, hätte spätestens nach der wenig später folgenden Anekdote an einer Supermarktkasse aufgehorcht.
Ein bisschen Wasser, Cola & Chips wollten wir haben, eine echte Anzeige gab es am Kundenausgang nicht. Ich krieg ja gerade mal die Zahlen bis 10 auf Russisch hin, da ist man dann ja in diesen Währungssphären etwas aufgeschmissen, wenn einem die Kassiererin den Betrag um die Ohren haut. Viel hatten wir ja nicht, also dachte ich mir: „Schaff mal Platz im Geldbeutel und gib die ganzen kleinen Scheine weg“. Also ein paar 500er, 100er, Tausender auf den Tresen gelegt und die nette Dame fragend angeguckt. Sie wiederholt ihr unverständliches Gebrabbel. Gut, dann lege ich mal noch ein paar Tausender nach. Fragender Blick... Sie guckt mich an und wiederholt. Ok, vielleicht nochmal Tausend? Dann langts aber, oder? Sie schüttelt nun leicht genervt den Kopf, mir wir die Sache aufgrund der länger werdenden Schlange langsam peinlich, ich packe mein Papierbündel wieder ein und lege einfach 100.000 Rubel auf den Tisch, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Wechselgeld und Kassenzettel erhalte ich umgehend, wir ziehen uns an die Seite zurück, packen ein und analysieren das Problem und rechnen um:
Versetzt Euch mal in folgende Lage: Ihr kommt nach der Arbeit in Darmstadt- Wixhausen in den Rewe, schnell paar Besorgungen machen. Vor Euch in der Schlange steht ein Weißrusse mit ein paar Kleinigkeiten. Die Kassiererein sagt: „Das macht 6,80 Euro, bitte!“, der Weißrusse legt 70 Cent auf den Tisch, die Kassiererin teilt ihm mit, dass das zu wenig Geld sei, daraufhin erhöht der Weißrusse in völliger seelischer Ausgeglichenheit immer wieder sein Angebot um 5 bis 15 Cent, völlig unverständig, warum das immer noch nicht ausreicht. Schön zum Eimer hammer uns gemacht;).
Unsere Wohnung sollte in einem großen sozialistischen Wohnblock, von außen und im Treppenhaus schäbig, wie man sich das vorstellt, liegen. Alles grau in grau, keine Namenschilder, nur nummerierte Blocks, nummerierte Etagen, nummerierte Eingänge. Hinter der schwer zu findenden Tür tobte dafür die Dekadenz: Edle Spiegelverkleidungen, Marmor, drei Personen Wanne und Flachbildschirm für 20 Euro pro Nase. Man wird ja auch nicht jünger, nicht wahr?
Praktischerweise lag die Unterkunft nicht weit entfernt vom Stadion, weshalb wir auf dem Weg zum Sightseeing locker flockig zwei Tickets für jeweils 30.000 Rubel erstanden. Nicht nur, dass die Grodno Ultras wohl bald die Kampagne „Kein Zwanzigtausender für nen Steher!“ starten werden, ganz oldschoolig wurden unsere Plätze per Hand auf einem Stadionplan durchgekreuzt, um sie dann wiederum per Hand auf unserem Papierticket aufzuschreiben. Eventim der Steinzeit, herrlich.
Auf dem Weg zurück in die Innenstadt fiel deutlich ins Auge, wie künstlich aufgeräumt alles war. Kein Kaugummi auf der Straße, trotz leerer Straßen wartet alles brav auf das grüne Männchen auf der Ampel, kaum Werbung, Geschäfte sind für uns werbungskonditionierte Westeuropäer manchmal kaum zu erkennen. Auffällig aber auch, dass wir den ganzen Tag über nirgendwo Polizei oder Miliz treffen werden, mal abgesehen von dem ausgemusterten Panzer, der den Kreisverkehr am Innenstadteingang ziert. Allgemein kann sich das Städtchen durchaus sehen lassen, ein-zwei nette Gassen, ein paar ansehnliche Parks, eine kleine Festung mit Blick auf den Fluss Neman, der auch dem örtlichen Fußballclub den Namen gibt. Das lässt sich durchaus gut an, wenngleich man nach einem Tag wohl alles außer dem Zoo gesehen hat. Unser Hunger hält sich zwar in Grenzen, irgendwie müssen wir aber unser Geld loswerden, weshalb wir erneut in Steak für vier Euro und Eis für 14 Cent investieren, ehe wir uns auf den Rückweg gen Stadion begeben.
Dort laufen dann auch endlich wieder Beamte mit Satellitenmützen umher. Sogar einen Metalldetektor, der absolut nichts detektiert, hat man zur Sicherheit mal aufgestellt, um die offiziell 2.000 Zuschauer in Zaum zu halten. Einer der ersten, der uns auf dem Stadiongelände über den Weg läuft, macht übrigens einen verschlafenen Eindruck und trägt ein faltiges Umbro-Shirt spazieren. Hätte lieber mal in einer hochwertigeren Währung wetten sollen.
Unseren Platz suchen wir uns auf der spektakulären Haupttribüne (guckt Euch den Bau ruhig mal im Internet an, lohnt sich), schräg über den Grodno Ultras, die wir von dort aus ausreichend
beobachten können.
Bisschen was von unerfahrener polnischen Viertligaszene würde ich mal attestieren. Tiefe Stimmen, das Rhythmusgefühl eines tauben Nilpferdes, aber durchaus laut und sehr bemüht. Ein ähnliches Bild im Gästeblock, wo handgezählte 18 Soligorsker Ihr Team antreiben. Man mag kaum glauben, dass das gleiche Spiel vor vier Tagen 10.000 Fans nach Borisov gelockt hatte. Nun ja, hier geht es ja auch nicht um den Pokal, und hier treiben einen die Ordner auch nicht zur Eröffnungsrede des Präsidenten ins Stadion hinein, damit es auch schön gefüllt aussieht, wie das wohl die Tage zuvor beim Pokalendspiel der Fall gewesen sein soll.
Sportlich konnte man in Europa schon schwächere Erstligaspiele erleben, wenn ich mir auch sicher bin, dass die Lilien hier locker hätten mithalten können. Der frischgebackene Pokal-sieger aus Soligorsk hatte heute nicht viel zu melden und wurde mit einem sauberen 3:0 wieder heim geschickt. Pünktlich zum Abpfiff brach ein Gewitter über der Stadt herein, was nicht nur uns zum raschen Heimmarsch veranlasste. Draußen geht die Welt unter, morgen müssen wir früh raus, und die Badewanne ist bezahlt. Ungewohnte Variante, ist ja fast wie Urlaub, dieses Weißrussland.
Den Weg zum Busbahnhof hatten wir am nächsten Morgen doch etwas unterschätzt. Der geschockte Blick des Opis, als wir bei aufgehender Sonne und leeren Straßen an ihm vorbei über die rote Fußgängerampel huschten, sticht jetzt noch bis ins Mark. Als letzte Passagiere und bei laufendem Motor erhaschten wir den 6-Uhr Bus nach Druskininkai. Nicht schlecht, wenn man sich die mangelnden Alternativen mal so durch den Kopf gehen lässt. Pünktlich heißt ja schließlich „auf den Punkt“ und nicht schon „ewig vorher“, von daher passt das ja.
Fehlte nur noch die passende Ausrede für die unausweichlich aufkommende Frage, weshalb wir mit Eishockeytickets einreisen, und schon vor Tumierbeginn wieder abhauen.
„Babuschka bolvnoj“ - „Oma krank“. Der Klassiker, aber doch am einfachsten zu erklären, das sollte doch ziehen. Außerdem sind die bestimmt froh, uns wieder los zu sein. Nachdem die fünf Kilometer LKW-Stau vor der Grenze passiert waren, folgten wieder die Kontrollen 1-7 (am Ende wird übrigens geschaut, ob die Anzahl der Passagiere im Bus noch mit der Zahl der Einfahrt übereinstimmt). Unsere Pässe verschwanden wieder für gefühlte Ewigkeiten, und natürlich kam das Satellitenkommando dann wieder, um uns zu interviewen. Glücklicherweise konnten die eingesetzten Grenzer ausnahmslos Russisch, was es uns einfacher machte, die Story nicht unnötig ausschmücken zu müssen. Die Oma ist krank, scheint aber auch schon der weißrussische Jugendspieler zu seinem Trainer zu sagen, wenn er keinen Bock auf die abendliche Übungseinheit hat. Überzeugung sieht anders aus. Ein Mütterchen im Bus konnte tatsächlich drei Brocken Englisch und versuchte sich in Übersetzung: „They want to know, why you leave before hockey starts“. Ach was, wäre ich jetzt net drauf gekommen. „Did you not like Belarus?“ Das klang ja schon mal gefährlich... Nee, voll dufte, Euer kleiner Vergnügungspark, nur die Oma, ihr wisst ja... „Germany plays against which team on saturday?“ Auch noch Fangfragen, keine Ahnung vom Eishockey, aber dass die erst Sonntag spielen haben wir mitbekommen.
Am Ende war nicht wirklich viel in Erfahrung zu bringen von uns, und die Veranstaltung eh eine reine Show, da die Ausreisestempel die ganze Zeit über schon in unseren Pässen waren. Ist ja auch nicht ungesetzlich früher zu gehen, aber dass wir uns die Regelung zu Nutze gemacht hatten, um Kohle zu sparen, ist den Herrschaften dann wohl schon bewusst geworden. Egal, im Grunde war es ganz nett da drüben. Wer auf Reise- und Meinungsfreiheit steht oder einen gewissen Komfort und Luxus anstrebt, fühlt sich da sicherlich nicht sonderlich wohl, auch wenn derartige Fazits sich bei einem 24 Stunden Aufenthalt eigentlich verbieten sollten. Falls man nur ein spießbürgerliches Leben mit der Familie verbringen möchte, keine große Angst vor Verbrechen haben will, und glücklich mit einem kleinen Garten als Zeitvertreib ist, der könnte da durchaus zurechtkommen.
Wir kamen mit unserer Karre dann sehr flüssig zurück nach Kaunas, wo wir die übrige Zeit noch zu einem Mittagsmahl in der ansehnlichen Altstadt nutzten, ehe wir im viel zu kleinen Flughafen unseren Rückweg nach Hahn antraten. Netter Kurztrip, auch hier gilt: Rückkehr nicht ausgeschlossen.